Umbenennung der Hindenburgstraße

Eine der schönsten Straßen der Landeshauptstadt Mainz trägt noch immer den Namen eines Militärs und Politikers, dessen verhängnisvolle Rolle in der Endphase des Ersten Weltkriegs und dessen Beitrag zur Destabilisierung und dem endgültigen Zusammenbruch der Weimarer Republik von der Wissenschaft längst nicht mehr angezweifelt wird. 1916, als die Bonifazius- in Hindenburgstraße umbenannt wurde, galt Hindenburg als großer Kriegsheld. Heute ist seine Ehrung in Form von Straßen- bzw. Platznamen nicht mehr zeitgemäß.

Passt das auch aus heutiger Sicht noch zusammen?
Die Hindenburgstraße führt ausgerechnet an der Synagoge vorbei.

Wer war Paul Hindenburg?

Hindenburg, geboren 1847, war Berufssoldat. Obwohl seit 1911 im Ruhestand, wurde er kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges reaktiviert und Oberbefehlshaber der 8. Armee. Sein militä­rischer Ruhm gründet sich auf den Sieg über die 2. Russische Armee im August 1914, dessen Be­deutung im Nachhinein propagandistisch über­höht wurde (,,Mythos von Tannenberg“). 1916 übernahm er gemeinsam mit Erich Ludendorff die Oberste Heeresleitung. Obwohl er selbst (wenn auch erst im Juli 1918) einen Waffenstill­stand für unumgänglich hielt, behauptete er bereits 1919, dass die deutsche Niederlage Poli­tikern zu verdanken sei, die mit ihren Bemühun­gen um einen Verhandlungsfrieden das „im Felde unbesiegte“ Heer „ von hinten erdolcht“ hätten. Diese Verschwörungstheorie zielte ins­besondere auf die Sozialdemokratie und deren Repräsentanten. Als „Dolchstoßlegende“ wurde sie in der Folgezeit auch und gerade mit anti­semitischer Zielsetzung propagiert. Hindenburg genoss daher vor allem in konservativen und re­aktionären Kreisen der Weimarer Republik ho­hes Ansehen und wurde 1925 von diesen Kräf­ten gedrängt, für das Amt des Reichspräsiden­ten zu kandidieren. Seine verfassungsrechtlich starke Position nutzte er, um ab 1930 vorwie­gend am Parlament vorbei Entscheidungen zu treffen. Als überzeugter Gegner des politischen Pluralismus hat er „aktiv an der autoritären Ver­formung der parlamentarisch-demokratischen Verfassungsordnung mitgewirkt und schließ­lich auf deren Zerstörung hingearbeitet“ (Hans-­Ulrich Thamer ). Dennoch gewann er auch im April 1932 – gegen Hitler – im zweiten Wahl­gang die Reichspräsidentenwahl. Den im Juli 1932 gewählten Reichstag löste Hindenburg im September 1932 wieder auf, bei den Neuwahlen im November blieb die NSDAP trotz Stimmenverlusten stärkste Partei. Hindenburg ernannte unter Einfluss nationalistischer Kreise Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. Er unter­zeichnete mit ihm gemeinsam am 28. Februar die „Reichstagsbrandverordnung“ und am 23. März 1933 das „Ermächtigungsgesetz“, beseitigte da­mit faktisch die Weimarer Demokratie und ebne­te den Weg zur Diktatur des NS-Regimes. Bis zu seinem Tod am 2. August 1934 hat Hindenburg Hitler gestützt und gegen keine der folgenden zahlreichen Gesetze und Verordnungen, die ins­besondere auf die Diskriminierung der Juden zielten, Einwände erhoben.

Paul von Hindenburg zu Besuch in Mainz
(© A. Kämmer)

Warum sind wir für die Umbenennung der Hindenburgstraße?

Es geht nicht darum, Straßennamen zu tilgen, nur weil die seinerzeit damit geehrten Persönlich­keiten aus heutiger Sicht demokratischen An­sprüchen nicht genügen können. Dennoch sollte es einer modernen Gesellschaft, für die etwa die Achtung der Menschenrechte eine Selbstverständlichkeit ist, nicht egal sein, wer oder was im öffentlichen Raum eine Ehrw1g erfährt. Viele Straßennamen sind sofort nach der Befreiung 1945 verschwunden, bei anderen – und dies gilt auch für Hindenburgstraßen und -plätze – war die Zeit für eine kritische Betrachtung lan­ge nicht reif. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Schon viele Städte, darunter Müns­ter, Freiburg, Darmstadt und Trier haben sich für eine Umbenennung entschieden.


Wem sollte man die Ehre einer Straßen- bzw. Platzbenennung zuteil werden lassen?

Viele Persönlichkeiten aus allen gesellschaft­lichen Bereichen hätten eine nachträgliche Ehrung verdient, vor allem solche, die von den Nationalsozialisten geächtet, aus dem Land gejagt oder ermordet und daher verges­sen wurden. Die Umbenennung der Hinden­burgstraße etwa wäre eine gute Gelegenheit, an einen bedeutenden Mainzer Bürger zu er­innern, den mit dieser Straße sein Wohn- und Wirkungsort verbindet. Vermutlich gäbe es schon längst eine nach ihm benannte Straße, wenn die Nazis ihn nicht aus seiner Stadt ver­trieben hätten: Gemeint ist Sali Levi, geboren 1883, der im Juli 1918 (als Nachfolger von Sig­mund Saalfeld) Rabbiner der „Israelitischen Religionsgemeinde Mainz“ wurde. Er ge­hörte 1919 zu den Mitbegründern der Main­zer Volkshochschule und auf seine Initiative hin wurden im Oktober 1926 die „Sammlung jüdischer Altertümer“ in der Hauptsynagoge und der rund 180 Grabsteine umfassende jü­dische Denkmalfriedhof auf dem Gelände des „Judensand“ eingeweiht. Bei der Bewerbung der SchUM-Städte Mainz, Worms und Speyer um die Aufnahme in die Liste des UNESCO­Weltkulturerbes spielt dieses historische Monument eine ganz zentrale Rolle.

Rabbiner Dr. Sali Levi bei der Eröffnung des jüdischen Denkmalfriedhofs
(© Stadtarchiv Mainz)

Nach der ,Machtergreifung‘ blieb er zunächst in Mainz. Als jüdische Kinder in staatli­chen Schulen vermehrt Diskriminierungen ausgesetzt waren, gründete er 1934 die jüdi­sche Bezirksschule Mainz, die im Gebäude der Hauptsynagoge untergebracht war. Die Inbrandsetzung und Verwüstung des Gebäudes in der Pogrornnacht konnte er von seiner Woh­nung aus beobachten. Von den bedrückenden Lebensbedingungen zermürbt, entschloss er sich erst spät zur Emigration, nachdem er einen Ruf an die jüdische Gemeinde in Brooklyn/New York erhalten hatte. Seine Kinder hatten das Land bereits verlassen. Ende März 1941 reisten er und seine Frau Margarete nach Berlin, wo sie die Ausreisevisa erhalten sollten. Dort ver­starb Sah Levi am 25. April 1941 an den Folgen eines Herzinfarkts. 80 Jahre später, wenn Mainz sein jüdisches Erbe feiert, wäre eine Ehrung Sali Levis eine symbolträchtige Geste der Wieder­gutmachung.


Hier kann der Flyer zur Umbenennung der Hindenburgstraße heruntergeladen werden.


V.i.S.d.P.:
Dr. Tillmann Krach
Lennebergstraße 25
55124Mainz
E-Mail: heppner.krach@t-online.de

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