Nach einem Grußwort von Christine Schwarz für die Stolperstein-AG des Vereins für Sozialgeschichte Mainz e.V., in dem sie noch einmal die Arbeit der kürzlich verstorbenen Renate Knigge-Tesche würdigte, und einer Rede der Kulturdezernentin Marianne Grosse, die die Bedeutung der Erinnerungsarbeit hervorhob, begann am 20. Mai die erste Stolpersteinverlegung in diesem Jahr in Mainz-Gonsenheim. Hier gab Gertrude Henn auf beeindruckende Weise einen Einblick in ihre Familiengeschichte und ihre Recherche zu Anna Maria Becker (Jg. 1886), Margaretha Katharina Martin, geb. Weiß (Jg. 1914) und Fritz Martin (Jg. 1936), die allesamt Opfer der sogenannten „Euthanasie“-Morde wurden. Gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrer Cousine trug Gertrude Henn im Anschluss die Steine an den Ort der Verlegung in der Gonsbachstraße 6. Den musikalischen Ausklang gestalteten, wie auch bei den folgenden Verlegungen in der Altstadt, Schülerinnen des Frauenlob-Gymnasiums.

Die Biografien von Hermine Blum und Else Ganz wurden von Reinhard Frenzel recherchiert und vorgestellt. Auch die Pat*innen der jeweiligen Stolpersteine, das Muna-Kollektiv e.V. und Cornelia Kramer, begleiteten die Verlegungen. Hermine Blum, geb. Hirschmann, die ihren letzten frei gewählten Wohnsitz in der Emmerich-Josef-Straße 4 hatte, wurde im Alter von 70 Jahren 1942 nach Theresienstadt deportiert und ermordet. Else Ganz, geboren 1898, lebte in der Breidenbacherstraße 25 ehe sie 1923 in die Heilanstalt Alzey eingewiesen wurde, von wo aus die Nationalsozialisten sie 1940 in die Heilanstalt Goddelau ‚verlegten‘ und dort ermordeten.


In der Emmeranstraße 10 wartete eine größere Gruppe von Interessierten. Bei der Vorstellung der Biografie von Siegfried „Sissi“ Rosenbusch durch Cornelia Dold wurde dessen Verwurzelung in der Mainzer Fastnachtsszene und besonders auch in der Fangemeinde von Mainz 05 deutlich. So gab es auch eine kurze Rede von Benedikt Sturm, Mitglied des Aufsichtsrates des 1. FSV Mainz 05, und der FC Ente Bagdad übernahm die Patenschaft für den Stein für Siegfried Rosenbusch. Siegfried (Jg. 1904), sein Bruder Albert Rosenbusch (Jg. 1905) und dessen Frau Erna Rosenbusch, geb. Fröhlich (Jg. 1915), wurden 1942 nach Piaski deportiert. Wann und unter welchen Umständen sie dort starben, ist nicht überliefert. Die Mutter der beiden Brüder, Therese Rosenbusch (Jg.1876), wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.
Bei dieser Verlegung trat eine Zuschauerin spontan in die Mitte des Kreises und appellierte an die Anwesenden, nicht zuzulassen, dass sich die Ausgrenzung von Menschen oder bestimmten Gruppen von Menschen wiederhole. Man dürfe nicht zulassen, dass die Gesellschaft bestimmte Menschen für alles Negative verantwortlich mache, sie zu „Menschen zweiter Klasse“ mache, denn der Blick in die Vergangenheit zeige, wie es anschließend zu Verfolgung und Ermordung komme.

Begleitet von Schüler*innen und den Pat*innen, einer Gruppe von Beschäftigten der Mainzer Mobilität, fand die letzte Verlegung eines Stolpersteins an diesem Tag in der Bauhofstraße 8 statt. Das Schicksal von Henriette Roos, geb. Kaufmann, die im Jahr 1942 deportiert wurde – mit weit über 70 Jahren, in schlechter gesundheitlicher Verfassung und schon seit Jahren medizinisch unterversorgt – zeigt den gnadenlosen Umgang der Nationalsozialisten mit älteren und kranken Menschen. Dies wurde auch in den Lebensläufen von anderen Menschen, für die an diesem Tag Stolpersteine verlegt wurden, deutlich. Die ‚Todesfallanzeige‘ aus Theresienstadt für Henriette Roos trägt das Datum 24. Februar 1943.
Die Biografien der Menschen, für die in Mainz Stolpersteine verlegt wurden, werden nach und nach auf einer eigenen Webseite hochgeladen: https://stolpersteine-mainz.de/index.php/stolpersteine-in-mainz/biografien/
